Achtzig Überstunden seit Anfang des Jahres. Die Tage und die Nächte sind längst zum einem Einheitsgrau verschwommen. Es hätte genauso trostlos und monoton weitergehen können. Gefühlt eine Ewigkeit, bis am Ring wieder die Motoren dröhnen. Fast hätte ich es vergessen, wäre nicht dieser Tag rot in meinem Kalender markiert. Kein Rennen, trotzdem mache ich mich auf meine gewohnte Art bereit. Übernachtungszeug, Fotorucksack und ab geht’s.

Diesmal nach Norden. EiFelkind Racing hat zur verspäteten Weihnachtsparty nach Nordhorn eingeladen. Irgendwie bin ich mir nicht sicher, wird dann die vergangene Saison gefeiert oder in die neue reingefeiert. Eigentlich egal. Trotz des Tumults um die NLS (wird sie wieder VLN heißen?), der ganzen Unsicherheit und allem drum und dran. Ich freue mich.

Samstag früh, die Autobahnen sind nicht so voll. Als ich bei Bottrop auf die A31 auffahre, werden Erinnerungen wach an ein verrücktes Wochenende im Juli 2009. Damals bin ich Samstag früh aus einem Nachtdienst rausgekommen und spontan nicht nach Hause, sondern von Gelsenkirchen direkt in einen Kurzurlaub nach Emden gefahren. Lang, lang ist es her. Das Cabrio von damals ist längst einem schöden Mercedes Kombi in dem obligatorischen silber gewichen, dieses Blog hier war nicht einmal in Planung, doch mit den Erinnerungen kommt ein Stück von der alten Abenteuerlust wieder. Auch wenn ich mittlerweile ein wenig zum alten Sack geworden bin.

Recht früh komme ich in Nordhorn an, so bleibt genug Zeit. Ausgiebig duschen, rasieren, etwas Schlaf nachholen, ein Bisschen Musik hören. Sachen, für die in dem Alltag fast keine Zeit übrig geblieben war. Es fühlt sich ausnahmsweise gut, die Zeit totzuschlagen. Langsam kommt die Zeit immer näher. Wie so viele Jahre und so viele Male, schultere ich den Fotorucksack und bestelle mir einen Taxi. Ab zur EiFelkind-Zentrale.

Als ich dort ankomme, fühlt sich alles bis auf den Ort und den Anlass so gewohnt an. Fast wie am Ring. Bekannte Gesichter, liebgewonnene Menschen und die altbekannte EiFelkind-Atmosphäre. Es gibt so viele Menschen zu begrüßen und mit so vielen zu sprechen. Es geht mir auf einmal viel besser als in den vergangenen anderthalb Monaten. Endlich ein Lichtblick, und das nicht zu knapp.

Von der Location bin ich ziemlich überrascht. Uwe hat bei WhatsApp was von „Teamkneipe“ geschrieben, und die macht dem Namen alle Ehre. Eine richtige Theke, komplett mit Zapfanlage und allem, wasd dazugehört. Interessante Kulisse für Fotos, und die Gelegenheit lasse ich mir natürlich nicht entgehen. Meine gute alte bekannte aus dem Teamzelt, die Kaffeemaschine, ist auch da. Ein Hauch vom Ring. Der Kaffee schmeckt.

Zur Feier des Tages gönne ich mir recht früh das erste Pülleken. Wird auch nicht das letzte an diesem Abend sein. Feste müssen eben gefeiert werden. Keine Kompromisse! Währenddessen kommen immer mehr Menschen an. Bekannte wie unbekannte Gesichter und wieder einmal diese einmalige EiFelkind-Atmosphäre, wo jeder jeden begrüßt, jeder mit jedem redet und Rang und Namen keine Rolle spielen. Wie gewohnt, sorgen Dennis und Julia fürs Catering, und der ist auf dem gewohnten Niveau.

Es gibt viel zu reden. Der neue Design für den 325i. Uwe zeigt mir Entwurffotos. Gelungen! Das wird wieder, genau wie der Papagei, ein Blickfang am Ring. Nur diejenigen, die das Auto folieren müssen, beneide ich um den Job nicht. Das wird ein schönes Stück Arbeit. Zu meiner Freude wird wahrscheinlich auch der Cup M240i wieder im Einsatz sein. Gute Nachrichten, wo es gegen Ende der Saison düster aussah. Ich höre den Gesprächen der Anderen zu. Maurice erzählt von seinem Wechsel zu EiFelkind und dem Aufstieg zum Strategiechef. Beeindruckend.

Sas alles lässt das Team als Ganzes und die Einzelnen noch näher rücken. Es ist interessant, so viel zu erfahren und zu sehen, was für Menschen hinter den Rollen und Positionen im Team stecken. Wenig später finde ich mich im Gespräch mit Danny Heinze und noch ein Paar anderen, von denen ich bis zu dem Tag nicht einmal die Namen kannte. Ganz unerwartet finde ich mich, wie ich alte Geschichten aus meinem früheren Leben erzähle. Bin auch überrascht, welche Sachen mir wieder einfallen. Bis gestern kam mir mein Leben stinklangweilig vor.

Die Musik, die Christian ausgesucht hat, versetzt mich wieder in meine jüngeren Jahre. 90er querbeet, von Eurodance bis Grunge und zurück. Währenddessen laufen Foto- und Videostrecken aus den vergangenen Saisons in Dauerschleife als Projektion an die Wand. Gefühlt 3/4 der Fotos sind von mir. Meine Motivwahl erkenne ich genauso wie das Bokeh meines Tamrons und den Weitwinkel-Effekt des Sigma. Auf einmal bin ich von meiner eigenen Arbeit ein wenig beeindruckt.

Die Zeit vergeht und die Feierlaune breitet sich immer mehr aus. Die eine oder andere Herumblödelei halte ich auf Fotos fest. Gut, ich hatte beizeiten gewarnt, daß es unweigerlich zu Fotos kommt, die ich später besser löschen sollte. Für mein Teil habe ich Spaß daran. Als kleine Verschnaufpause nehme ich mir die Zeit, die Laserprojektion vom EiFelkind-Logo an der Scheunenwand zu fotografieren. Es lohnt sich eben doch, auf jedem Fotoausflug auch Stativ und Fernauslöser mitzunehmen.

Ich genieße jeden Moment. Irgendwie scheine ich nicht nur die verloren geglaubte Freude am Leben wiedergefunden zu haben, sondern auch den Spaß an so vielen Dingern, der in den letzten Monaten verschwunden zu sein schien. Fotos machen. Freunde treffen. Herumalbern. Pläne machen, wo man monatelang nur Tag für Tag gelebt hat. Wie altes Fieber, das einen wieder packt. Auch wenn ich zu gut weiß, der Abend wird zu Ende gehen.

Etliche Pülleken und einige Stunden später kommt es auch so. Ich lasse mir einen Taxi ins Hotel bestellen, verabschiede mich. Fühle mich nur ein wenig müde, aber ansonsten eher aufgedreht. High. Ein schönes Gefühl.

Im Hotel angekommen, will und will ich nicht einschlafen. Ich höre Musik und bleibe dabei immer wieder bei einem Titel hängen. Die Hosen, „Altes Fieber“. Lang ist es her, daß das Lied rauf und runter im Radio lief. Damals war es eine der dunkelsten Zeiten in meinem Leben und das Lied ließ mich melancholisch werden. Heute ist es umgekehrt. Ich feiere das Wiederfinden der Lebensfreude. Auch wenn es noch mehr als einen Monat dauern wird, bis am Ring wieder die Motoren dröhnen. Ich freue mich darauf.

In den Tagen darauf fällt es mir sonderbarerweise leichter, den Alltag zu meistern. Trotz der immerwährenden Überstunden und den widrigen Umständen auf der Arbeit. Mit dem Niederschreiben der Geschichte bin ich auch zögerlich. Einerseits habe ich seit längerer Zeit nichts geschrieben, andererseits überwältigen mich immer wieder all die Gefühle und die Eindrücke des Abends aufs Neue, wenn ich versuche, es in Worte zu fassen. Ich lasse alles eine Weile sacken, bevor es soweit ist. Dann klappt es, diesmal nicht ganz überraschend, wie eh und je.

Das alte Fieber ist wiederauferstanden. Möge er auch lange anhalten.

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