Traurig. Müde. Emotional ausgelaugt. Manchmal auch wütend und geladen. Keine gute Gefühlsmischung, als ich an diesem Samstag aufwache. Ich bräuchte dringend eine Auszeit und die nehme ich mir. Unter die Dusche, anziehen, Fotorucksack mitnehmen und ab geht’s, zur Musik von den Fun Lovin‘ Criminals. „Come Find Yourself“, ganz alter Schinken. Sowohl der Titel als auch die Musik passen zur momentanen Lage.

Zwei Stunden, eine gesperrte Autobahn, eine ellenlange Warterei auf mein Kaffee am Rasthof Ville später bin ich endlich in der Eifel. Es ist noch früh und die Parkplatzsituation dementsprechend entspannt. Beim Bezahlen lächelt mich der Parkwart an: „gute Musik“…aus den Boxen im Mercedes läuft gerade „Passive/Aggressive“. Ich muss lachen. Das erste mal seit mehr als eine Woche.

Das Wetter ist frühlingshaft schön, als ich bei EiFelkind ankomme. Gemessen an den letzten zwei Wochen eine andere Welt. Ich freue mich über das Wiedersehen und dem, was bevorsteht. Es ist immer wieder schön, irgendwo willkommen zu sein.

Während auf der Strecke das Qualifying läuft, genehmige ich mir eine heiße Schokolade im Teamzelt. Dazu gibt es Kuchen im Nordschleifen-Design. Ein Motiv für eins der ersten Fotos an diesem Tag und eine willkommene (und leckere) Überraschung. Mit den EiFelkindern wird es nie langweilig. Meinen Anfangsplan, mich mehr oder weniger hinter der Kamera zu verstecken und mir nichts anmerken zu lassen, verwerfe ich ganz schnell. Nicht nötig. Man lacht, man macht Witze und das färbt auf mich zunehmend ab.

Das Teamgeschehen läuft seiner Wege und findet den Weg in meine Kamera. Dazu treffe ich Freunde und bekannte. Lutz, der mir die Depeche Mode-Karte zum Geburtstag besorgt hat. Sandro, der mit der blauen Tabard der Akkreditierten herumläuft. Guido verrät mir von sich aus ein Paar sehr gute Fotospots an der Nordschleife und ein Paar seiner fotografischen Geheimnisse. Dabei sehen wir uns zum ersten mal live. Trotzdem, man kennt sich. Der Geist der Nordschleife.

Das Qualifying ist zu Ende. Tim kommt an und berichtet über Getriebeprobleme. Mist, das hat noch gefehlt! Das Auto wird in die Box geschoben und „mal schnell“ das Getriebe getauscht. Soweit es mir von außerhalb der Box möglich ist, halte ich das Geschehen in Bildern fest. Hektisch, angespannt, witzig, alles mit dabei. Zum Glück ist der Tausch relativ schnell erledigt. Es bleibt zu hoffen, daß das Getriebe auch im Rennen hält. Ich freue mich, während die Zeit fürs Mittagessen anbricht. Da nehme ich es mir nicht, Dennis und Julia in der Küche abzulichten. Es gehört viel mehr zum Motorsport dazu, als nur schnelle Runden zu fahren und dafür zu sorgen, daß die Autos laufen.

Die Autos am Laufen zu halten, damit hat EiFelkind an diesem Tag alle Hände voll zu tun. Neben den 24 Qualifiers laufen vier eigene Autos und sechs weitere in der RCN. Eine echte Mammutaufgabe. Ich mag mir nicht ausdenken, was das an Ressourcen und Manpower in Anspruch nimmt, aber dafür gebührt allen der höchste Respekt. Da sind die Fahrer genauso wichtig wie Dennis und Julia in der Küche.

Der Rennstart rückt immer näher. Die Gridwalk schenke ich mir, wie so oft in den letzten zwei Jahren. An einem anderen Tag wäre ich vielleicht herumgelaufen und ein paar Bilder geschossen. Heute nicht. Bei den EiFelkindern fühle ich mich wohler und genieße es.

Stunde der Wahrheit. Das Auto muss in die Startaufstellung. Motor an, erster Gang und…nichts tut sich. Das Getriebe streikt wieder. Ratlose und besorgte Gesichter. Keine Hektik. Jeder ist an seinem Platz und weiß, was er zu tun hat. So schnell wie fast wortlos wird das Auto aufgebockt und nach dem Fehler gesucht. Selbst von außerhalb der Box ist es ein einfaches, das Geschehen so im Bild festzuhalten, als wäre man mittendrin.

Bange Momente vergehen. Die Ampel steht mittlerweile auf rot und man müßte, würde man den Fehler finden und beheben, aus der Boxengasse starten und dem Feld hinterher fahren. Macht nichts, es wird nichts unversucht gelassen. Die Anspannung und nicht gerade angenehme Warten packt auch mich. Die Minuten vergehen wie eine Ewigkeit.

Es geht nicht. Es wird keinen Start geben. Ich schnappe nur einzelne Sätze auf, aber es sieht so aus, als müsste ein Ersatzgetriebe her. Christian ist schon am Telefonieren. Das Auto wird von den Böcken heruntergelassen und Tim steigt aus. Seine Stimmung mag man sich denken, aber als er Helm und Sturmhaube abnimmt, kann man den Anblick nicht wirklich in Worte fassen. Es mag „nur ein Rennen“ sein, doch für ihn ist es viel mehr. Jung war ich auch mal und kann mich nur allzu gut erinnern, wie es mir seinerzeit gegangen ist, als ein Lebenstraum zusammengebrochen ist. Ich halte mich zurück.

Wenig später gibt es die erste positive Nachricht. Ein Ersatzgetriebe ist organisiert, es muß nur geholt und eingebaut werden. Für das ganze Team scheint eine Nachtschicht angesagt zu sein. Innerlich muß ich schmunzeln. Nicht nur in meinem momentanten Beruf, auch in früheren Zeiten habe ich mehr als einmal so eine Nachtschicht einlegen müssen. Da werden Erinnerungen wach. Auch die Erinnerung, wie man sich nach so einem Tag fühlt.

Ich wünsche dem Team viel Glück und verabschiede mich. Wie es der Zufall so will, habe ich kurzfristig eine Übernachtungsmöglichkeit in der Eifel bekommen, für die ich sehr dankbar bin. So kann ich die Kameraakkus aufladen und am nächsten Morgen früher und entspannter am Ring sein.

Die guten Nachrichten gibt es am nächsten Morgen zum Kaffee. Das Team hat bis spät in die Nacht gearbeitet und Auto ist wieder einsatzbereit. Klasse! Die Katerstimmung von gestern Abend verfliegt auf einmal und auch mir geht es viel besser dabei.

Das alle sist zu sehen und zu spüren, als ich wieder beim Team bin. Es gibt nicht nur mit Sebastian Lawniczek als Fahrer neue Gesichter, sondern auch unerwartete Entwicklungen. Christian hat den „Papagei 2“ an Adrenalin Motorsport vermietet, deren eigener Cup-BMW nach einem Unfall nicht starten kann. Gut nicht nur für das Team, sondern auch für den Sport allgemein. Auf der Strecke mag man Konkurrent sein, abseits davon leben die VLN/NLS und das 24h-Rennen genau von diesem Geist und dieser Hilfsbereitschaft unter den Teams. Von EiFelkind kenne ich es auch nicht anders.

Der Rest des Vormittags verläuft um einiges fröhlicher als der Vortag. Wenn es Gründe zur Freude gibt, geht es einem viel leichter. Der Kaffee schmeckt besser, die Fotos klappen viel leichter. Beim Letzteren habe ich das Gefühl, es liegt nicht nur an mir, sondern auch am Team. Ein schönes Gefühl.

In der Startaufstellung habe ich ein Auge auf Tim, der nach dem gestrigen Desaster den ersten Stint fährt. Wie hat er das verkraftet? Was mag durch sein Kopf gehen? Hat er irgendwelche Rituale vor dem Start? Gemessen an der Menge sind es nur wenige Fotos, ich hoffe aber, dies einzufangen. Auch wenn man am Ring gefühlt ewig die gleichen Bilder vor der gleichen Kulisse zu machen, es ist doch jedesmal anders.

Wenn so viel emotionale Bagage von einem abfällt, fühlt man sich aus irgendeinem Grund müde. So geht es mir, als ich mich auf meine Runde um die Nordschleife begebe. Zur Abwechslung gehe ich meinen üblichen Fotospots fremd und nutze die offene Schranke am Adenauer Forst, dann Hocheichen und die Bilstein-Tribüne. Auf der Strecke halte ich immer Ausschau nicht nur nach dem EiFelkind-Auto, sondern auch nach dem „Papagei 2“, der heute von Adrenalin Motorsport fährt. Einmal EiFelkind, immer EiFelkind.

Im Fahrerlager komme ich rechtzeitig, um die Fahrerbegrüßung nach dem Finale zu fotografieren. Trotz „nur“ Platz vier in der Klasse, ist die Stimmung gut. Das alles landet zum Abschied auf die Speicherkarte. Mir ist dabei ein wenig wehmütig. Ich nehme mir fest vor, beim nächsten mal auch für die Pokalverleihung zu bleiben, sollte es ein Podiumsplatz werden.

Es geht ein Wochenende zu Ende, in dem ich müde, mit sehr viel Trauer, ein wenig Wut und ganz viel Blues gestartet bin. Es war der Getriebe-Blues vom Team und alles drumherum, was mich aus dem herausgeholt hat.

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