Die Zukunft ist voller Hoffnung

Vor sieben Wochen bin ich noch auf dem Zahnfleisch gekrochen und mich gerade noch so zum Ring gequält. Wenig wüsste ich damals darüber, was sich alles ändern würde. Sieben Wochen, in denen sich mein Leben auf links gedreht hat. Nur zwei Worte: frisch verlobt. In Gedanken bin ich bei ihr, als ich zum Ring aufbreche. Das beflügelt. Auf der Fahrt zum Ring spielt das Radio 1990er Eurodance. Gute-Laune-Musik. Hab einfach Lust darauf.

Der Laune tut es keinen Abbruch, daß die besten Parkplätze um den Ring herum belegt sind. Egal. Den Wagen stelle ich einfach im Parkhaus vom Ring-Boulevard ab. Kostet was? Was soll’s. Tabard abholen und ab zu der EiFelkind-Box.

Der schreckliche Vorfall vom Vortag hat alle erschüttert und man merkt es. Die Stimmung ist nicht schlecht, doch die übliche Leichtigkeit fehlt. Man ist in Gedanken bei den Verletzten und sich bewusst, es hätte jeden erwischen können. Und trotzdem geht man der Leidenschaft weiter. Alle, vom Uwe und Christian über die Fahrer bis hin zu der Küchencrew. Ich weiß nicht, was ich sagen sollte. Am besten gar nichts. Ich bin einfach nur darüber erleichtert, daß keinem der EiFelkinder was passiert ist.

Das Qualifying ist abgeschlossen und die Pitwalk voll im Gange. Es hätte sich sowas wie Routine einstellen können. Fast. Die Motive kenne ich. Christian, der auf Fotos entweder herumalbert oder gestresst und mitten in der Arbeit aussieht. Maurice mit seinen Grimassen, immer wieder für ein Foto gut.  Wieder versuche ich, Desiree in einer Situation zu erwischen, bei der sie nicht in die Kamera lächelt. Es geht mir alles viel leichter von der Hand als beim letzten mal.

In unzähligen Rennen zuvor habe ich es mir angewohnt, mich hinter der Kamera zu verstecken. Man achtet für gewöhnlich auf die Kamera, nicht auf den Fotografen. Mag gut sein, wenn es einem selbst nicht gut geht. Nicht heute, und die EiFelkinder kann man sowieso damit nicht hinters Licht führen. Trotz der gedämpften Stimmung, man gratuiert mir. Das Lächeln kann ich mir nicht verkneifen. Ich glaube, beim Team ist man auch froh, mich gut drauf zu sehen. Ich gehe einen Schritt weiter und packe mein Telefon aus. Mache Selfies und nerve hier und da mit der Bitte um ein Foto von mir. Alles für sie. Die Fotos schicke ich ihr sofort. Wäre sie nicht so weit weg, hätte ich sie an diesem Tag mitgenommen. Familie.

Wie immer, vergeht die Zeit bis zum Öffnen der Boxengasse viel zu schnell. Macht nichts, bin’s gewohnt. Ausfahrt. Gridwalk. „Helfer raus“-Schild. Alles wie gewohnt. Das Rennen geht los und ich mache mich auf dem Weg zu Turn 1, als der Himmel seine Schleusen öffnet. Nach einer Karambolage im Hatzenbach gibt es dann die rote Flagge. Kommt mir nur gelegen, so habe ich Zeit, mich mit Dennis‘ Currywurst zu stärken. EiFelkind steht nicht nur für guten Motorsport, sondern auch für erstklassiges Catering. Währenddessen kommt ihre Antwort. Sie freut sich, mich in meinem Element zu sehen. Was will man mehr?

Zum Restart bin ich zeitig an der Start-Ziel-Geraden, um die einzelnen Startgruppen einzufangen. Mutig gehe ich mit der Belichtungszeit auf 1/80. Action muss sein. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, die vollen 6 Stunden auszuschöpfen, doch das Rennen wurde auf 4 Stunden verkürzt. Egal, der Fahrplan steht. Ab zum Brünnchen und ab denn den Trek zum Sprunghügel. Bin viel, viel besser in Form als beim letzten mal. Spontan lege ich einen Stopp an der Eiskurve ein und bin bei der ersten Durchsicht von den Fotos begeistert. Hell yeah! Mit dem Sprunghügel habe ich ein wenig zu kämpfen, doch die Ausbeute kann sich auch sehen lassen. Da lasse ich es mir nicht entgehen, nach langer Zeit auch einige Fotos vom Brünnchen mitzunehmen und entdecke die Aussicht vom oberen Fotoschacht entgegen der Fahrtrichtung wieder. Geil.

Mit zwei vollen Speicherkarten mache ich mich auf dem Weg zurück ins Fahrerlager, als das Rennen in die finale Phase geht. Beide Autos liegen gut im Rennen. Ich freue mich und schieße ein Paar Stimmungsbilder in der Box. Letzte Runde. P2 und P5 in der Klasse. Angesichts des schrecklichen Vorfalls vom Vortag ist die Stimmung doch verhalten, man freut sich aber trotzdem. Die Platzierungen bedeuten auch die Klassenführung in der Meisterschaft. Was will man mehr?

Es ist schon spät, als ich mich verabschiede und mich auf dem Heimweg mache. Bin müde und trotzdem nicht wirklich müde. Die Leichtfüßigkeit, mit der der Tag angefangen hat, setzt sich bis tief in den Abend fort. Das Aussieben der Fotos geht mir viel leichter und schneller von der Hand.

Ich kann es nicht lassen, sie bekommt als allererste die Fotos zu sehen. Zuerst nur die besten, die bei der ersten Durchsicht direkt auffallen. Auch wenn sie mit Motorsport wenig am Hut hat, zeigt sie sich ansteckend begeistert. Ich freue mich und das spornt mich an, auch den Rest der Arbeit zu erledigen.

Die Akkreditierung fürs nächste Rennen wird so schnell es geht beantragt. Ich kann es immer noch nicht glauben, welchen Unterschied sie ausmacht. Auch wenn sie zur Zeit Tausende von Kilometern weit weg sein mag. Die Zukunft ist voller Hoffnung.

P.S. Carolyn, danke für alles. Danke, daß Du Du bist und daß Du da bist.

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