Aufgeben ist nicht

Das 24h-Rennen war ein Kraftakt und ich immer noch nicht damit fertig. Auf der Festplatte schlummern noch Tausende von Fotos, nachdem ich den Ausschuß schon entsorgt habe. Ein neues Projekt nimmt langsam Gestalt an, ich komme aber nur schleppend voran. Arbeit ist das Schlüsselwort. Der Job greift wie eine Krake um sich und verlangt mir 12h-Stunden-Tage am laufenden Band ab. Nach zwei Wochen bin ich schon wieder urlaubsreif und möchte am liebsten alles hinschmeißen. Alles.

Zum nicht kleinen Teil ist es die Suche nach der verlorenen Lebensfreude, die mich an diesem Morgen antreibt. Nicht jammern, weitergehen. Die EiFelkinder haben die Tage auf Instagram und Arschbuch Fotos von dem Aufbruch zum Ring gepostet. Da sollte ich lieber mein Maul halten und froh sein, nur meinen Fotorucksack und eine Tasche Reisegepäck und nicht einen ganzen LKW und und und packen zu müssen. Die Mädels und Jungs haben auch Jobs und ich bin mir sicher, so manchem von denen könnte es zumindest ein Stück ähnlich gehen. Ab zum Ring!

Eine Sache ist anders. Nach der Premiere beim 24h-Rennen darf ich mir wieder den Tabbard der Akkreditierten überstülpen. Ein Grund mehr, nicht aufzugeben. Vom Media-Ticket ganz abgesehen. Doch ein Grund zum Lächeln, während ich unterwegs an meinem Kaffee nippe und das immer schlechter werdende Wetter beobachte. Hoffentlich fällt nicht alles ins Wasser.

Als ich ankomme, sieht es neblig aus. Im wahrsten Sinne des Wortes. Qualifying verschoben, vom Parkplatz kann man das Ring-Boulevard nur schemenhaft erkennen. Ich hole meinen Tabbard ab und stapfe zur Box 13. Es ist nicht das erste mal, dass EiFelkind diese Box bezieht und beim letzten mal hat scheint sie Glück gebracht zu haben. Ich scherze mit Christian darüber, als ich endlich da bin. Die Begrüßung fällt wie immer herzlich aus. Ich bin froh, die EiFelkinder zu sehen und sie darüber auch. Lars scherzt darüber, dass ich nur im T-Shirt herumlaufe. Trotz der Jahreszeit ist es eifelig frisch.

Nach einem Kaffee im Teamzelt taue ich auf und bin endlich richtig wach. Das Teamleben geht seiner Wege und findet den Weg auf meine Speicherkarte. Auf dem Rennleitungsbildschirm sehen währenddessen die Meldungen genauso aus wie beim 24h-Rennen am Sonntagmorgen. Nächste Meldung in einer halben Stunde. Hoffentlich wird es was. Alles nach hinten schieben ist heute nicht, wegen irgendeiner anderen Veranstaltung muss bis 19.30 das Fahrerlager geräumt sein. Das wird lustig.

Das Gute daran ist, man hat Zeit für ein wenig Smalltalk. Ich mache mit Desiree Späße darüber, dass sie anscheinend einen sechsten Sinn hat, wann die Kamera auf sie gerichtet ist. Sie in einer „normalen“ Situation zu erwischen? Fast unmöglich. Daneben schieße ich ein Paar Fotos von den „neuen“ Fahrern, die heute auf dem grauen 325i unterwegs sind. Beim Rest habe ich heute irgendwie Lust auf Fischauge. Passt. Fühlt sich viel besser als mein „normaler“ Job an. Ich finde doch ein Stück Freude wieder.

Auf einmal kommt Bewegung in der Sache. Das Qualifying wird verspätet und etwas verkürzt gestartet und das Zeitfenster zum Rausfahren aus der Box ist denkbar knapp. Endlich Action! Bin schon geübt, um nicht im Wege zu stehen, als sich beide Autos und die von AsBest Racing sich auf dem Weg machen. Danach mache ich mich auf dem Weg zur ersten Kurve. Dank der neuen Linse kann ich diesmal das Geschehen dort so ziemlich aus der Nähe einfangen und es macht zunehmend Spaß. Nach ein wenig Aufwärmen bin ich sogar frech genug, mit der Belichtungszeit sehr gewagt herunterzugehen. Mehr Ausschuß? Mir egal.

Viel zu schnell ist das Qualifying zu Ende und ich mache mich auf dem Weg zurück zur Box. Strahlende Gesichter. Michael hat die Pole herausgefahren und das, wo die V4-Klasse mit acht Autos ziemlich gut besetzt ist. Wenn es im Rennen genauso gut läuft, gäbe das dick Punkte. Ich denke an Desiree, die zur Zeit punktgleich mit Flavia in dem Kampf um die Ladies‘ Trophäe liegt. Hoffentlich wird das was nach dem Herzschlagfinale letzte Saison.

Das „10 Minuten“-Schild kommt. Zeit für die Nordschleife. Nach den Mühen beim 24h-Rennen lasse ich es mir nicht nehmen, es mit dem Sprunghügel zu versuchen. Der Weg dahin durch Matsch und Morast ist ziemlich beschwerlich. Ich merke, dass ich nicht in Form bin und mache trotzdem weiter. Die Fotos klappen leidlich, aber ich weigere mich hartnäckig, mit der Belichtungszeit hochzugehen. Später werde ich dafür mit ein Paar „Wow!“-Bildern belohnt. Geht doch. Nach der langen Zeit am Sprunghügel ist die Nordschleife mit einem Abstechter zum Hocheichen, wo es um einiges besser klappt, abgefrühstückt. Ich fahre zurück zum Fahrerlager.

In der Box herrscht angespannte Stimmung. Desiree fährt den letzten Stint und bisher liegt man in der V4 in Führung. Wenn alles hält, würde es ein Start-Ziel-Sieg werden. Ich vermeide es, darüber zu sprechen. Aberglaube. Bei dem Gedanken daran geht es mir doch besser. Ich hole ich mein 24h-Teamshirt ab. Werde es mir nicht nehmen, es nächsten Sonntag bei der Arbeit anzuziehen. Spaß muss sein.

Letzte Runde. Man plant an der Boxenmauer eine Begrüßungsaktion für die Siegesfahrerin. Mit fast schon diebischer Freude beziehe ich Stellung und überprüfe noch einmal das Kamera-Setup. Die Überraschung klappt, das Foto auch. Ist mir egal, daß es mehr wie ein Standbild aussieht, der Rest stimmt. Start-Ziel-Sieg! An der Boxenmauer bricht Jubel aus, wie man ihn wohl nur von EiFelkind kennt. Ungehemmt. Ansteckend. Beim 24h-Finale hatte ich Tränen in den Augen, heute kann ich lächeln. Bitte mehr davon!

Währenddessen läuft schon sein geraumer Weile in der Box und im Fahrerlager der Abbau. Bis zur Deadline ist es nicht mehr lang. Ich schieße ein Paar Fotos davon, während die Zeit für die Pokalübergabe kommt. Im Media Center stehen die Pokale aufgereiht. Es sieht viel feierlicher und viel schöner aus als die fast schon unwürdige Trophäenübergabe in der dunklen Box beim 24h-Rennen. Lars Gutsche als Master of Ceremony ist auch gut drauf und macht Späße mit Uwe und den Rest der EiFelkinder. Zur Feier des Tages kommt die V4-Klasse direkt nach den GT3s. Ich grinse. Sowas erlebt man nicht alle Tage. Danke, Lars!

Am Ende bin ich zwar müde, aber mit der Müdigkeit der letzten Zeit hat es wenig zu tun. Ich bin viel besser drauf als ich es in auch nur einer Sekunde in den letzten zwei Wochen war. Ja, es hat Kraft gekostet. Ja, ich war fotografisch nicht wirklich in Form. Aber im Unterschied zu so vielem war es auch eine Erfahrung, die mir jede Menge zurück gegeben hat.

Genau das spüre ich, als es dann zuhause daran geht, die Fotos zu sichten, zu sieben und zu bearbeiten. Trotz meines Zustandes bin ich erstaunlich schnell damit fertig. Zwischen dem und dem Schreiben dieser Geschichte beantrage ich direkt die Akkreditierung fürs nächste Rennen. Egal, daß es erst in sieben Wochen ist und ganz egal, wie diese sieben Wochen ausfallen werden.

Aufgeben ist nicht.

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