Ein besonderer Tag

Die Tage werden wieder kürzer, so ist es dunkel, als mich der Wecker aus dem Schlaf reißt. Die Sommerpause war lang und ich kann es kaum erwarten, wieder zum Ring zu fahren und die Truppe von EiFelkind Racing wiederzusehen. Es ist auch in einiger Hinsicht ein besonderer Tag, doch dazu später. Fotorucksack hatte ich schon am Vorabend gepackt, so bin ich schnell wieder unterwegs in die Eifel. 12h Nürburgring stehen auf dem Programm.Die Fahrt in die Eifel verläuft wie gewohnt, bis es ab den Tankstellen in Barweiler Stau gibt. Anderthalb Stunden Stop&Go, dazu noch ein Parkplatz fast am Arsch der Welt. Parkzone C6, weit unterhalb der Goodyear-Kehre. Das wird lustig. Schuld daran ist das unsägliche RedBull Formula One-Event. Wer sich das ausgedacht hat, weiß ich nicht. Will ich auch nicht wissen, es genügt mir, die Publik zu sehen, die sich an diesem heißen Samstag auf dem Ring tummelt. Mit Sandalen und Flip-Flops in die Eifel aufbrechen, daß ich nicht lache. Event-Touristen, keine Motorsport-Fans. Den Ring werden sie wahrscheinlich nie wieder besuchen, aber dieses Event muss es sein. Was hat das noch mit Motorsport zu tun? Keine Ahnung. Solche und ähnliche Gedanken schwirren mir durch den Kopf, während ich mich auf dem 20-minütigen Fußmarsch richtung Fahrerlager mache. Bin spät dran, trotz der frühzeitigen Abfahrt. Egal.

Etwas verspätet komme ich an die Box von EiFelkind Racing an. Dem Wiedersehen tut es keinen Abbruch, es ist so, als hätte es die lange Sommerpause nie gegeben. Wie immer darf ich mich an der Kaffeemaschine bedienen und mir ein (verspätetes) Frühstück holen. Ich quatsche mit dem einen oder anderen und packe währenddessen die Kamera aus. Wie gesagt, es ist ein besonderer Tag.

Tim Müller kannte ich bisher nur als Mechaniker im Team. Rennerfahrung hatte er bisher nur in der RCN gesammelt, an diesem Wochenende darf er erstmalig „richtige“ Rennen fahren und auf dem 325er BMW ins Lenkrad greifen. Ich freue mich für ihn. Wie sein Vater mir nach dem 24h-Rennen gesagt hat, wäre der Plan, daß Tim einmal das 24h-Rennen fahren würde. Es wäre dem Jungen nur zu wünschen, ich habe ihn bisher als einen liebenswerten jungen Mann, integren Teammitglied und fleißigen Schrauber kennengelernt. Alles Eigenschaften, die ihn auszeichnen und mir einmal mehr beweisen, daß die „alten“ Werte doch richtig sind und mir die Hofffnung geben, daß sie nie aus der Mode kommen. Ein Bißchen erinnert mich seine Geschichte auch an meinen eigenen Werdegang. Sich „hochdienen“ scheint nicht nur für mich der richtige Weg zu sein.

Passend zum Event ist Tim nicht alleine dabei. Seine Eltern und seine Oma sind da, dazu noch ein kleiner „Fanclub“, alle mit passenden Shirts mit der Aufschrift „Tim Müller Motorsport“. Richtig so, Feste muss man feiern, wie sie fallen. Mich als Fotografen freut es, da es mir in dem gewohnten Teamleben neue Motive gibt. Es wird eben nie langweilig, wenn man bei EiFelkind Racing zu Gast ist, gleichzeitig muss ich Uwe und Christian bewundern um die Chance, die sie dem Jungen geben. Schade eigentlich, daß es so wenige Teams gibt, die einem talentierten Nachwuchsfahrer die Chance geben. Der Motorsport im Allgemeinen und die NLS im Besonderen bräuchten mehr davon.

Das Teamleben um mich herum geht an diesem Tag seinen gewohnten Weg. Ich auch. Die Speicherkarte füllt sich mit Fotos, während der Start immer näher rückt. Mit Bobby, einem der Mechaniker, unterhalte ich mich über das unsägliche Red Bull-Event. Daß es so überflüssig wie ein Kropf ist, da sind wir einer Meinung. Egal, in ein Paar Stunden gibt es echten Motorsport. Ich wundere mich, was Tim durch den Kopf geht. Es ist geplant, daß er den Schlußstint fährt, und bis dahin ist es noch lange, doch die Spannung müsste langsam steigen.

Währenddessen erblicke ich auf dem Wagen von Keeevin Sports&Racing einen bekannten Namen. Flavia Fernandes, die beim letzten Rennen noch für EiFelkind gefahren ist, fährt heute für das Team. Wenig später treffe ich sie in der Box und bin ein wenig verwundert, als sie mich sofort erkennt und freudig grüßt. Gesehen haben wir uns zum ersten mal beim letzten Rennen, trotzdem ist alles so familiär wie selten. Wir wechseln ein Paar Worte. Sie wäre gerne für EiFelkind gefahren und ich wundere mich, wer würde es nicht wollen. Für mich ist es das beste Team der Welt.

Die Wagen werden aus der Box gerollt. Zeit für ein Teamfoto, bevor es in die Startaufstellung geht. Die Hitze macht allen zu schaffen, trotzdem sind sie gut drauf. Ich versuche, das auf Fotos festzuhalten und gleichzeitig auch soviel wie möglich von dem Geschehen rund um Tim einzufangen. Es ist sein Tag und müsste sich wohl wie Weihnachten und Geburtstag in einem anfühlen.

Das „Zuschauer raus“-Schild wird gezeigt. Gleich geht es mit dem Rennen los. Ich stapfe zurück zur Box, wo Dennis mit dem Zubereiten des Mittagessens beschäftigt ist. Es gibt leckeren Gewürzbraten. Da mich Uwe beim letzten Rennen angesprochen hat, ob ich nicht mehr Fotos von der Küche machen könnte, komme ich diesem Wunsch nach, bevor ich mich auf dem Weg zur Tribüne mache, um wenigstens etwas vom Renngeschehen festzuhalten.

Die Tribünen sind ungewöhnlich voll. Anscheined haben sich einige von den Flachland-Tirolern doch entschieden, etwas länger in der Eifel zu bleiben. Mit etwas Glück erwische ich doch einen für Fotos günstigen Platz auf der Bilstein-Tribüne. Nach der Sommerpause bin ich mit den Mitziehern mal wieder etwas aus der Übung. Danach nutze ich die Chance, daß wegen des RedBull-Events sowohl die Mercedes-Tribüne als auch T5 offen sind und wechsle die Location. Bin froh, wenn mir unter den unzähligen Fotos auch einige gute von beiden EiFelkind-BMWs gelingen.

Leider muss ich am Nachmittag einige Erledigungen machen und früher abfahren. An meinem Ziel angekommen, verfolge ich das Rennen im Livestream und die Postings vom Team und den Fahrern auf Instagram und Facebook. Den M240i erwischt es mal wieder – die Verriegelungen der Motorhaube halten nicht, so hat Kevin Wambach eine Schrecksekunde, als auf der Zufahrt zum Schwedenkreuz die Motorhaube auffliegt und die Frontscheibe zertrümmert. Zum Glück geht es nur mit dem Schaden aus, Kevin ist wohlauf und scherzt auf Instagram, daß dies wohl ein „code brown“-Moment gewesen sei. Sein Sinn für Humor möchte ich haben. Tim absolviert einen fehlerfreien Stint und bringt den 325i auf P3 in der Klasse ins Ziel. Ich freue mich und lasse den Tag ausklingen.

Am nächsten Morgen ist wieder alles wie gewohnt. Die Tagestouristen und Möchtegerne-Eifelfans sind verschwunden und es ist im Vergleich zum Vortag angenehm leer, als ich am Ring ankomme. Ich gratuliere Team zu der guten Platzierung. Sowas tut einem echt gut. Der Rest des Morgens vergeht fast in der üblichen Routine.

Fast. Im Qualifying tritt erneunt ein technischer Defekt am Auto auf. Man ist sich nicht sicher, woher es kommt und was es genau ist. Scheint ein Elektronik-Fehler zu sein, dem man nicht ohne weiteres auf die Schliche kommt. Mist. Bobby sinniert, daß es eigentlich genug Zeit gegeben hätte, den Wagen soweit auseinanderzunehmen und das fragliche Teil zu tauschen, Christian ist der Meinung, dies würde nichts bringen, da der Fehler eine andere Quelle hätte.

Während man damit beschäftigt ist, erspähe ich Tim, wie er Werkzeuge holt und zurücklegt und mit anpackt. Er müsste es eigentlich nicht, heute ist er Fahrer und kein Mechaniker, trotzdem gefällt mir diese bodenständige Einstellung sehr. Alte Werte, mehr sage ich nicht. Mir wird es ein Bißchen bange. Was, wenn der Wagen nicht durchhält? Nach dem Pech mit dem M240i am Vortag wäre das echt ein Schlag ins Kontor. Im Endeffekt entscheidet man sich, das Auto starten zu lassen und auf das Beste zu hoffen. Ich drücke die Daumen.

Die Zeit bis zur Startaufstellung vergeht wie im Flug. Zuschauer raus, gleich geht das Rennen los. Da eine harte Arbeitswoche vor mir liegt, verabschiede ich mich vom Team. Beim nächsten Rennen werde ich leider nicht dabei sein können, so sehen wir uns erst zum Saisonfinale. Uwe ist etwas nachdenklich, die Planung für die nächste Saison steht noch in den Sternen.

Ich mache mich auf dem Weg zu meinen gewohnten Fotospots an der Nordschleife. Trotz der sengenden Hitze färben sich in der Eifel die ersten Bäume in zaghaften Herbstfarben. Beim Saisonfinale wird es wahrscheinlich in den eifeler Wäldern, wie jedes Jahr, eine richtige Farbexplosion geben. Bei dem Gedanken wird es mir ein wenig wehmütig. Viel zu schnell geht diese NLS-Saison auf der Zielgeraden, schneller als ein GT3 auf der Döttinger Höhe.

Am Brünnchen angekommen, freut es mich, als ich den EiFelkind-BMW erspähe. Soweit hat er durchgehalten. Ich beziehe Stellung an der Hedwigshöhe und verfalle in meiner üblichen Routine. Mit einem Unterschied, als der Papagei mir vor die Linse kommt, halte ich extra lange mit der Kamera drauf und versuche, so viele Fotos wie möglich davon zu machen. Mitzieher sind oft eine Glückssache, so maximiere ich meine Chancen, ein gutes Foto von dem Auto zu machen. Später zuhause werde ich mich freuen, daß ich von jeder Location ein gutes Foto davon mitgenommen habe.

Die lange Fahrt nach Hause versuche ich, meine Eindrücke und meine Gedanken zu ordnen. Was habe ich diese Saison mit den EiFelkindern mitgefiebert, den Zieleinlauf beim 24h-Rennen mitgefeiert und schöne Zeiten erlebt. Die ganzen Samstage, die ich mir um die Ohren gehauen habe, machen mir nichts aus. Es ist eben was besonderes, genau wie dieses Wochenende für Tim ein besonderes ist. Ich fühle mich geehrt, es begleitet haben zu dürfen und wünsche mir sehnlichst mehr davon. Nicht für mich. Für das Team.

Zuhause angekommen, schreibe ich Christian auf WhatsApp und frage ihn nach dem Rennergebnis. „Wir sind auf P3 ins Ziel gekommen“. Klasse! Tims Debüt in der NLS endet mit einer Podiumsplatzierung. Das gibt Selbstvertrauen und lässt auf die Zukunft hoffen. Ein gutes Zeichen?

Ich hoffe es.

 

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