Die Zeichen stehen auf Melancholie, als ich an diesem Morgen aufwache. Wenig geschlafen, draußen dunkel und useliges Wetter. Perfekt zum ins-Bett-bleiben, wenn ich nicht andere Pläne hätte. Heute geht nicht nur die Motorsport-Saison auf dem Nürburgring zu Ende, gewissermaßen schließt sich auch ein Kreis.

Es fing vor zig Jahren mit einer Begegnung bei einem RCN-Start. Darauf folge noch ein Besuch bei einem RCN-Event und nach einer Saison NLS ist wieder die RCN an der Reihe. Das NLS-Saisonfinale ist eine gefühlte Ewigkeit her, heute geht auch die RCN zu Ende. Zeit, ein letztes mal vor der Winterpause noch die EiFelkinder wiederzusehen.

Die Fahrt zum Ring im Dunklen könnte selbst die fröhlichste Natur depressiv machen. Von unterwegs schreibe ich Uwe und melde meinen Besuch an. Eigentlich hatte ich mich schon beim letzten NLS-Rennen in den Winterschlaf verabschiedet. Eigentlich. Ich geb’s zu, ich kann es nicht lassen.

Die Fahrt zum Ring zieht sich in die Länge, doch endlich komme ich an. Daß Uwe ein Ticket für mich hat, überrascht mich, wie jedes mal aufs neue. Heute hat er aber auch mehr für mich. Es soll regnen und meine Jacke ist nicht ganz so gut für die eifeler Wetterkapriolen geeignet. Warm ja, regenfest nein. Macht nichts, Uwe zaubert, wie aus dem nichts, eine passende Jacke für mich. Es geht mir für eine Sekunde durch den Kopf, daß es tiefer Herbst und bald St. Martin ist. Bei dem Gedanken muss ich schmunzeln.

Diesmal ist EiFelkind Racing in Box 28 untergekommen. Näher am Eingang. Kommt mir bei dem Wetter gelegen, so finde ich schnell den Weg ins Teamzelt und zum warmen Kaffee und Frühstück. Der Kaffee wärmt mein Körper und die Begegnungen mit dem Team meine Seele. Gleichwohl sauge ich die eindrückliche herbstliche Tristesse auf. Es ist schließlich Saisonende.

Bei dem Wetter scheint es alle entweder in die Box oder in das angenehm warme Teamzelt zu ziehen. Man kann es keinem verübeln, wer will schon frieren? Noch dazu hat EiFelkind für zwei andere Teams das Catering übernommen, wie ich nebenbei erfahre. Ich staune nicht schlecht über die Kameraderie unter den Teams. Angeblich soll es in der VLN früher genauso gewesen sein. Das kann ich nicht bezeugen, da ich erst seit 10 Jahren zum Ring fahre, daher glaube ich es einfach. Auf der anderen Seite überrascht es mich bei EiFelkind keinesfalls. Anders kenne ich das Team nicht.

Während mir diese Gedanken durch den Kopf schwirren, gleite ich in meine übliche Routine aus Fotos machen, Smalltalks und Kaffee trinken ab. Der Herbst fordert auch fotografisch sein Tribut in der Form von hohen ISO-Werten. Macht nichts. Währenddessen habe ich zwei unerwartete Begegnungen.

Die erste ist mit Fabian Kortum von Blickfang Filmproduktion. Wir haben uns seit dem 24h-Rennen nicht gesehen und damals war die Begegnung eher etwas, was in dem restlichen Geschehen fast unterging, doch der Kontakt ist sofort wieder da, als wäre das 24h-Rennen gestern gewesen. Wir tauschen Erfahrungen aus, er fragt, ob ich brauchbare Fotos für seine Nürburgring-Dokumentation hätte. Klar. Ich lasse es mir nicht nehmen, ihn bei der Arbeit zu fotografieren. Wir tauschen Whatsapp-Daten aus und ich verspreche, ihm die besten Fotos zu schicken.

Die zweite Begegnung ist mit Lars Gutsche. Daß mich eine feste Ring-Größe mit Namen grüßt, überrascht mich immer wieder aufs Neue. Bei dem Kompliment zu meinen Ring-Geschichten geht mir das Herz auf. Noch ein Eindruck, was ich in die Winterpause mitnehmen werde und ein Ansporn, weiterzumachen. Das alles mitten in der herbstlichen Ring-Tristesse. Mir wird warm, nicht nur ums Herz.

Mittlerweile haben alle Autos von EiFelkind das Qualifying heile überstanden und es wird Zeit für die Startaufstellung. Im Unterschied zur NLS findet die im Paddock-Bereich statt. Ich laufe durch den Regen und schieße ein Foto von einem der EiFelkind-Wagen, bevor ich wieder die Gemütlichkeit des Teamzelts aufsuche. Dort passe ich die nächste halbwegs trockene Phase ab und mache mich auf dem Weg zum Brünnchen.

Bis ich dort ankomme, hat es wieder angefangen zu regnen. Mist. Richtig ungemütlich. Zum gefühlt hundersten mal danke ich Uwe für die Jacke, packe die Kamera so gut es geht darunter und esse ein letztes mal für diese Saison eine Bratwurst. Der Fanshop am Brünnchen hat sich indes in den Winterschlaf verabschiedet.

Durch den Regen laufe ich meine üblichen Fotolocations ab. Wippermann, Eschbach, Brünnchen. Ich hoffe und bete, daß meine Kamera keinen Schaden durch den Regen nimmt und bleibe an jeder stelle nur so lange, bis ich Fotos von den EiFelkind-Autos im Kasten habe. Wenn es einen Gott geben sollte, ist er heute mit den Fotografen an der Nordschleife gnädig. Die Autos sind im Regen langsamer, so gelingen mir mit meiner üblichen Belichtungszeit die Mitzieher spürbar besser. Für irgendwas muss dieses miese Wetter auch gut sein.

Auf dem Weg zurück zum Fahrerlager genieße ich die Farben der eifeler Wälder drumherum. Es macht mir nichts aus, daß es so uselig ist und die Farben unter dem stahlgrauen Himmel eher trostlos und deplatziert wirken. Der Herbst ist meine Lieblings-Jahreszeit und in der Eifel ist er besonders schön.

Als ich im Fahrerlager ankomme, hat der Regen ein wenig nachgelassen und es ist spürbar dunkler geworden. Noch eine halbe Stunde bis zum Zieleinlauf. Ein letztes mal Kaffee im Teamzelt, während die Zielflagge fällt. Das gesamte Team ist mittlerweile mit dem Abbau beschäftigt und ich halte es in Fotos fest, während die blaue Stunde anbricht. Die Dunkelheit legt sich über das Geschehen. Eins der letzten Fotos, die ich mache, ist von der fast leeren Box. Fast schon exemplarisch für den heutigen Tag. Tristesse, wohin das Auge reicht.

Es ist spät und eigentlich will ich nach Hause, doch das Loslassen und Verabschieden von der Motorsport-Saison fällt mir schwer. Leider habe ich die Hände voll und kann beim Abbau nicht helfen und bekomme deswegen ein schlechtes Gewissen. Hoffentlich nimmt es mir keiner übel.

Den Abschied handhabe ich wie ein Sprung ins kalte Wasser. Mit wenigen Worten und einem Handschlag verabschiede ich mich von Uwe, Christian, Dennis und jeden aus dem Team, den ich auf dem Weg treffe. Christina lädt mich zur Team-Weihnachtsfeier im Januar ein und ich sage zu. Eigentlich könnte ich bei dem Gedanken Luftsprünge machen. Ein Wiedersehen steht auf dem Programm, ich kann es nicht glauben. Ich verspreche, zu kommen und nächste Saison wieder da zu sein. Auch wenn es noch in den Sternen steht, wie es nächste Saison weitergehen wird, wenn sie so wird, wie die gerade zu Ende gehende, möchte ich schon jetzt keinen Augenblick davon missen.

Auf dem Weg zum Auto werfe ich einen letzten Blick zum Nürburgring. Das Lindner-Hotel und das Gerüst des Ring Racer sind beleuchtet wie beim 24h-Rennen. Ein Zeichen? Bin zu müde und durchnässt, um die Kamera auszupacken, so muss ein Handy-Schnappschuß reichen. Die Farben sind mindestens genauso schön wie die Herbstfarben in der Eifel.

Auf dem Weg nach Hause durch die Dunkelheit und dem Regen hat mich der Herbst-Blues wieder. Ist mir aber egal. Zu oft im Leben habe ich die Trauer durchgemacht, wenn etwas Schönes zu Ende geht. Ich weiß, daß es im Herzen ewig weiterleben wird. Doch diesmal ist auch etwas anderes dabei. Es sind nicht die Geschichten, die ich geschrieben habe, es sind auch nicht die Fotos, die ich mir vielleicht den Winter über immer wieder anschauen werde.

Es ist die Hoffnung und die Vorfreude auf nächstes Jahr im März, wenn es wieder losgeht.

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