Long Cold Winter

Aus den Boxen tönt Cinderella, „Long Cold Winter“. So fühle ich mich auch. Der Winter war lang genug und zieht sich immer noch in die Länge, das Leben auch. Zerstreut lese ich meine alten Postings, das ganze Seelenfutter, was ich über die Jahre geschrieben habe. Es kommen alte Emotionen hoch, vermischen sich mit neuen und machen mich nachdenklich. Selten waren über die Jahre die Touren mit dem Boxster geworden, noch seltener habe ich geschrieben. Zeitweise hatte ich das Gefühl, alles gesagt und geschrieben zu haben, das Thema leergesaugt, nichts als eine leere Hülle zurückgelassen zu haben. Seit mehr als zehn Jahren schreibe ich hier, Saison für Saison, jedes Jahr aufs neue. Schon früher hatte ich das Gefühl, an diesem Punkt angelangt zu sein. Irgendwie ging es immer weiter. Doch momentan fühle ich mich, als wäre das ganze Jahr über Winter. Nicht mehr „vorübergehend geschlossen“, sondern für sehr lange. Für immer? Der Gedanke jagt mir Gänsehaut ein. Aufgeben? Kein Seelenfutter mehr?

Ich habe Tränen in den Augen. Es ist alles im Moment nicht einfach. Insgeheim hoffe ich, der Winter hat irgendwann ein Ende. Ich weiß, das wird er, doch ich sehe es nicht. Das ist nicht der Stoff, aus dem ich all die Seelenfutter-Geschichten geschrieben habe. Eher was für Alpträume. Ewiger Winter. Die Sonne scheint draußen, doch sie wärmt (noch?) nicht. Ein Blick aus dem Fenster. Die kahlen Bäume ermahnen mich, daß der Frühling noch nicht da ist. „Long Cold Winter“ läuft auf Dauerschleife, bis ich es irgendwann leid bin. Es folgt Jimmy Buffett mit „Margaritaville“.

Der Wechsel der Musik tut mir gut. Von Cinderellas Ballade zu karibisch angehauchten Country-Klängen. Fühlt sich an wie eine Spitzkehre, aus der es dann direkt in die nächste Kurve geht. Es wird mir schmerzhaft klar, wie ich das alles vermisst habe und immer noch vermisse. Das Gefühl des Vermissens hat etws bittersüßes an sich. Einerseits tut es weh, andererseits kommt in mir Sehnsucht auf. Sehnsucht auf Frühling, auf Sommer, aufs Offenfahren, darauf, es mit dem Boxster über kurvige Landstraßen richtig fliegen zu lassen, auf Ausfahrten nach Feierabend, auf Treffen…

Das Gefühl überkommt mich und es gibt kein Halten mehr. Tränen, Tränen, Tränen. Ich beweine den langen Winter, die Sehnsucht, das Leben. Zunehmend fühlt es sich gut an, zu weinen. Ich lasse den Tränen freien Lauf und gleichzeitig freue ich mich darüber. Die Tränen bringen mir etwas zurück, wovon ich glaubte, es verloren zu haben.

Der Stoff, aus dem das ganze Seelenfutter ist.

Ich habe es doch nicht verloren.

Zeige KommentareKommentare schließen

Schreibe einen Kommentar

Ich stimme der Datenschutzerklärung zu

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.